Die Wiederansiedlung des Weissstorchs in der Schweiz
Der Weissstorch braucht kaum vorgestellt zu werden. Und dennoch sind einige Fakten wenig bekannt. Der Weissstorch hat im 20. Jahrhundert einen drastischen Bestandsrückgang erlebt. Um 1900 brüteten in der Schweiz noch rund 140 Storchenpaare. Zwanzig Jahr später waren es nur noch 50, und 1949 schliesslich brütete das letzte Paar. Die Ursachen dafür sind vielseitig: Entwässerungen der Sumpfgebiete und Riedlandschaften, Leitungsdrähte, Schädlingsbekämpfungsmittel und erhöhter Jagddruck in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten dürften nebst der über Jahrzehnte dauernden nassen und kalten Perioden in den Brutzeiten für den Rückgang verantwortlich sein.
Der Initiative von Max Blösch ist es zu verdanken, dass heutzutage in der Schweiz wieder Störche brüten. Er begann 1948 ein Zuchtprogramm in der schweizweit bekannten Storchensiedlung Altreu. Die Jungvögel wurden bis zum Erreichen der Brutreife in Gehegen gehalten und danach an vorbestimmten Orten eingewöhnt und später ausgesetzt. Nach anfänglichen Misserfolgen konnte der Bestand laufend vergrössert werden. 2005 haben erstmals wieder über 200 Paare in der Schweiz gebrütet. Ein Viertel des Bestands besteht aus in Gefangenschaft aufgezogenen, nicht ziehenden Proektstörchen. Drei Viertel besteht aus deren Nachkommen, von denen die meisten zur Zugzeit die Schweiz verlassen und Vögel aus anderen westeuropäischen Ländern, die bei uns eingewandert sind. Sollen die Störche bei uns auch in Zukunft ein Auskommen haben, müssen geeignete Lebensräume erhalten und aufgewertet werden. Grundsätzlich verfolgt die Strategie von Storch Schweiz das Ziel einer dauerhaft sich selbst erhaltenden Population, die alle Merkmale einer wildlebenden Art aufweist, zu erhalten oder wiederherzustellen.
Verändertes Zugverhalten
Seit Jahren wird festgestellt, dass bei über 70 % der westziehenden Weissstörche (Ciconia ciconia) der nordwestlichen Population sich das Zugverhalten stark verändert hat. Diese Vögel ziehen nicht mehr nach Westafrika, sondern überwintern bereits im Süden von Westeuropa (Frankreich, Spanien und Portugal). Die Vögel halten sich dort zur Nahrungssuche vor allem auf einigen grossen, offenen Mülldeponien auf, wo ab 2016 als Folge einer EU Richtlinie die organischen Abfälle auf bis zu 3% reduziert werden und später die Deponien geschlossen werden sollen.
Die Frage nach dem Auslöser des veränderten Zugverhaltens ist bisher nicht beantwortet. Sind vielleicht die früheren „Ansiedlungsprojekte“ dafür mit verantwortlich? Die Gene der „angesiedelten“ Vögel befinden sich heute wahrscheinlich in vielen „westeuropäischen“ Störchen. Haben sie vielleicht Einfluss auf Zugweg und -entfernung? Welche Rolle spielt der Klimawandel? Und welche Auswirkungen wird die Schliessung der Deponien in Spanien auf die Storchpopulationen haben?
Viele Fragen sollen mit dem seit 2012 laufenden Projekt „SOS Storch - Storchenzug im Wandel“ beantwortet werden. Mit dem Projekt „Storchenforscher“ möchten wir die Schülerinnen und Schüler einladen, sich ebenfalls mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen und selber auch mitzudenken und mitzuforschen.